Den Konzertabend in der Laeiszhalle eröffneten Cristin Claas, Stephan Bormann und Christoph Reuter mit eigener Songpoesie. Bereits als das Trio seine Interpretation von Goethes Gedicht vom Knaben, der ein Röslein sah, vortrug, womit es an den Beginn der Zusammenarbeit zwischen dem Cristin Claas Trio und dem Walddörfer-Gymnasium erinnerte, war klar: Das Konzert, das unter der Überschrift „Elbe Oratorium“ stand, handelte eigentlich von der Liebe. Zuerst von der Liebe der Menschen zu dem Fluss, den sie als ihren, als Teil ihres Lebens begreifen, wie die Elbe Songs der Schülerinnen und Schüler des Walddörfer-Gymnasiums deutlich machen.
Obwohl man in Volksdorf die Elbe wahrlich nicht riechen oder spüren kann, fühlt sich Carla Bethge (S 3) dennoch als „Hafenkind“. Ihr vom Cristin Claas Trio intoniertes Gedicht steht in klarem Widerspruch zu dem Karl Lagerfeld zugeschriebenen Bonmot, Hamburg sei das Tor zur Welt, man müsse aber auch durchgehen. Im Refrain von Carlas Lied ist Hamburg eben nicht nur das „Tor zu Welt“, sondern vielmehr die „Tür zu mir“: „Es ist das Ziel meines Weges und mein Weg beginnt hier.“
Das von der Elbe herströmende Gefühl von Zugehörigkeit und Heimat bestimmt auch das Gedicht von Veronika Pfeiffer (7 b) „Mein Heim“, das Cristin Claas als nächstes sang. Das lyrische Ich bekennt hier, „wie sehr sein Herz für Hamburg schlägt“. Dass der Liedtext von Levi Schröder (7 b) ganz andere Assoziationen wecken wird, merkte man schon nach den ersten Takten, die die Orchester und Bands des Walddörfer-Gymnasiums gemeinsam mit dem HafenCityOrchester unter der Leitung von Dr. Claudia Cerachowitz spielten. Cristin Claas besang die von Levi Schröder gesammelten Impressionen vom Elbstrand, an dem ein „romantisches Date“ mitten im „Gewusel, Gezanke, Gelaber, Gewimmel“ stattfinden kann. Die letzte Zeile des Liedes, „nimm mich mit, komm ich fließ mit dir“, griff bereits auf den zweiten Teil des Konzerts vor, in dem sich zum Orchester auch die Chöre des Walddörfer-Gymnasiums gesellten. Gemeinsam folgten sie im „Elbe Oratorium“, das im Sommer 2017 in Wittenberg uraufgeführt wurde, in siebzehn Stationen dem Fluss von seiner Quelle in Tschechien bis zur Mündung in die Nordsee. Der Weg flussabwärts wurde durch Texte von Andreas Hillger illustriert, die Erik Schäffler zwischen den Musikstücken kongenial vortrug.
Die Komponisten Christoph Reuter und Cristin Claas ließen sich bei ihrer Elbschau von Friedrich Smetanas Sinfonie „Die Moldau“ inspirieren, deren Motive gleich zu Beginn des Oratoriums den Zufluss der Moldau in die Elbe hörbar machten. Das Zitat von Musik anderer Komponisten in das eigene Werk war gleichsam ein Leitfaden dieser musikalischen Dichtung. Der große Chor und das Orchester erinnerten an jeder Passage der Elbe an die Musik, die an ihren Ufern entstanden ist. So gewahrte man auf der Höhe von „Elbflorenz“ Töne von Weber und Wagner, in Wittenberg schillerte Luthers „Ein feste Burg ist unser Gott“ durch. Dort zeigte die Junior Big Band mit ihren Trommeln dem Publikum, dass die von der Reformation versprochene Freiheit in hartem Kampf erstritten und verteidigt werden musste. Gleichsam tröstlich wirkte dagegen der sentimentale Klang des Schifferklaviers, der umso häufiger zu hören war, je näher die Reise der Mündung kam. Dass die Musik der Elbe nicht nur der Tradition verpflichtet ist, sondern modern und lebendig bleibt, bewiesen zwischendurch jazzige Duette der Saxophone.
Den Höhepunkt des Oratoriums bildete zweifelsohne sein Finale. Das Orchester spielte noch befreiter auf, der Chor steckte mit seinem Enthusiasmus auch den letzen Zuhörer an und jeder im Saal konnte nachvollziehen, warum „jeder Bach zum Fluss, jeder Fluss zum Meer“ will. Am Schluss wurden alle Musiker frenetisch gefeiert, beseelt gingen die Zuschauer nach Hause und werden beim nächsten Fischbrötchen am Hafen oder in Övelgönne denken: die wahre Vertiefung erhält die Elbe nur durch die Musik. (Bw)