Pippa macht den Führerschein…

… für Kutschen

Die Kooperation zwischen dem Museumsdorf und dem WdG, die aus dem Goofy-Projekt entstanden ist, trägt viele Früchte. Pippa, eine Schülerin der ersten Stunde, hat jetzt einen Kutschen-Führerschein gemacht, um noch mehr Arbeiten im Museumsdorf eigenständig übernehmen zu können. Schüler*innen einer sechsten Klasse fanden das so interessant, dass sie Fragen an Pippa, die inzwischen die Oberstufe des WdG besucht, formuliert haben.

Wie bist du darauf gekommen, einen Kutschenführerschein zu machen?

Die Idee ist ganz spontan während meines dreiwöchigen Praktikums im Museumsdorf entstanden. Denn während meines Praktikums bin ich fast täglich Kutsche gefahren und hatte großen Spaß, so viel Kontakt mit Pferden zu haben und durch die Gegend zu fahren. Je öfter ich beim Aufschirren zugeguckt habe, desto mehr Interesse hatte ich, auch mal selbst Hand anzulegen. Nach ein paar Tagen wurde mir dann einfach ein Geschirr in die Hand gedrückt und gesagt „Mach mal.“ Tja, und dann stand ich da mit einem 30kg schweren Geschirr auf dem Arm vor Erik…

Wer ist Erik?

… ein Pferd im Museumsdorf… Ich sollte ihn aufschirren. Mit etwas Hilfe hat das dann auch geklappt, und nach einer Woche konnte ich Erik dann ganz ohne Hilfe aufschirren, und es hat mir richtig Spaß gemacht. Bei einer Kutschfahrt mit Egbert, dem Bauern im Museumsdorf, hat er mir dann einfach die Leinen in die Hand gedrückt, und ich bin das erste Mal selbst Kutsche gefahren. Es war zwar nur eine kurze Strecke und ich bin nur geradeaus gefahren, aber es hat wahnsinnig viel Spaß gemacht. Später hat er mir dann gesagt, dass ich einen Schein brauche, um richtig selbst zu fahren. Und somit war die Sache dann entschieden.

Warum macht man einen Kutschenführerschein?

Die Frage habe ich mir tatsächlich vor einem halben Jahr selbst gestellt. Früher musste man keinen Extra-Schein machen, um Kutsche zu fahren, und auch heute ist es an manchen Orten immer noch keine Pflicht und dadurch passieren leider immer noch zu viele Unfälle und Verletzungen. Nicht nur bei Fahrer und Passagieren, sondern insbesondere bei den Pferden. Sie kriegen z.B. Scheuerstellen durch das falsche Aufschirren der Geschirre. Deswegen ist es in vielen Teilen Deutschlands Pflicht, einen Kutschen-Fahrschein zu machen, um selbst zu fahren. Im Museumsdorf werden die Kutscher z.B. für landwirtschaftliche Arbeiten im Alltag gebraucht wie das Pflügen (wofür man auch einen Kutschenschein braucht) oder das Wegfahren von Mist. Kutsche fahren ist auch eine Tradition, weswegen im Museumsdorf auch Kutschfahrten für Hochzeiten, Geburtstage und andere Veranstaltungen gebucht werden können. Mit einem Kutschenführerschein kann man auch an Wettrennen und Dressur-Wettbewerben teilnehmen.

Hast du selbst ein Pferd? Magst du Tiere?

Als ich klein war, bin ich viele Jahre geritten, habe dann aber vor einigen Jahren damit aufgehört. Als ich dann durch das „Go for Goofy“-Projekt viel Zeit im Museumsdorf und somit auch mit Tieren verbracht habe ist meine Tierliebe gewachsen und mittlerweile kann ich mir ein Leben ohne Kontakt mit Pferd, Ochse und Co. Gar nicht mehr vorstellen. Ein eigenes Pferd habe ich leider nicht. aber Lennart, Umberto, Erik und Nicolas, die Pferde im Museumsdorf, habe ich fest in mein Herz geschlossen.

Ist der Führerschein schwer? Wie lange dauert die Vorbereitung?

Kutsche fahren lernt man nicht von heute auf morgen und es braucht viel Geduld und Konzentration, um es zu begreifen. Denn manchmal braucht es nicht mehr, als ein kleines Ruckeln an der Leine, und das Pferd wird nervös oder tut etwas, das es nicht soll. Mein Kurs hat ca. drei Monate gedauert und in dieser Zeit bin ich mindestens einmal in der Woche gefahren und hatte einmal in der Woche Theorie-Unterricht, bei dem man alles über das Fahren lernt: Welcher Wagen wird für was genutzt, welche verschiedenen Geschirre und Kopfstücke gibt es, und es werden Leinengriffe geübt, damit auf dem Bock alles so reibungslos wie möglich läuft. Aber auch wenn man alles aus dem Buch gelernt und verstanden hat, heißt das noch lange nicht, dass jetzt alles funktioniert. Kutsche fahren lernt man, indem man es macht, und auch jetzt, wo ich meinen Schein habe, lerne ich jedes Mal, wenn ich auf den Bock steige, etwas Neues dazu und verbessere mich mit jeder Fahrt.

Was muss man lernen? Wie läuft die Prüfung ab?

„Ziel jeder Ausbildung ist die größtmögliche Harmonie zwischen Mensch und Pferd.“ Das ist der siebte ethische Grundsatz des Pferdefreundes. Zunächst muss man also lernen, wie man mit einem Pferd umgeht. Deswegen musste ich vor meiner Fahrprüfung noch den sogenannten „Pferdeführerschein Umgang“ bzw. „Basispass“ absolvieren, um an der Prüfung teilnehmen zu dürfen. Für die Fahrprüfung muss man außerdem wissen, wie man ein Pferd korrekt aufschirrt, anspannt, welche Leinengriffe wann zu benutzen sind, das Leinengebet, die Skala der Ausbildung und vieles mehr.

Das hört sich anstrengend und nach viel Stoff an.

Am Tag der Prüfung bin ich morgens schon früh zu dem Hof, wo ich den Unterricht hatte, gefahren, und wir haben die Pferde fertig gemacht. Als die Prüfer kamen, haben wir, jeweils in zweier Teams, jeder eine Dressur-Aufgabe vorgeführt. Danach ist jeder von uns mit einem Prüfer im Straßenverkehr gefahren, damit die Prüfer sich die Handgriffe genauer angucken und gegebenenfalls korrigieren konnten. Nachdem wir wieder auf dem Hof angekommen sind und die Pferde abgeschirrt haben, haben wir alle zusammen etwas gegessen, während uns einige Fragen gestellt wurden. Die Prüferin hat uns noch ein paar Tipps gegeben, während der Prüfer unsere Urkunden unterschrieben hat. Zum Schluss kam noch die Urkunden-Übergabe. Alles in Allem war es zwar sehr aufregend aber eher wie ein Gespräch als eine Prüfung und eine nette Atmosphäre.

Die Prüfung scheint ja ganz entspannt zu laufen. Können eigentlich alle Pferde eine Kutsche ziehen oder nur bestimmte Rassen? Müssen die Pferde auch ausgebildet werden?

Pferde müssen genauso ausgebildet werden wie ihre Fahrer, nur, dass die Ausbildung für das Pferd langwieriger und schwerer ist. Es können zwar alle Rassen Kutschpferde werden, aber manche eignen sich für bestimmte Aufgaben besser als für andere. Kaltblüter, wie z.B. die Pferde aus dem Museumsdorf, eignen sich besser für schwerere Lasten, die sie auf kürzere Dauer ziehen müssen. Warmblüter hingegen sind aufgrund ihres zierlicheren Körperbaues besser für weniger schwere Lasten geeignet, die sie aber längere Zeit ziehen können. So ist jedes Pferd anders. Genauso wie es manche Pferde gibt, die sich nicht reiten lassen, gibt es Pferde, die keine Kutschen ziehen. Und die Verbindung zwischen Pferd und Fahrer ist auch sehr wichtig bei der Zusammenarbeit!

Muss beim Kutschieren besondere Verkehrsregeln beachten?

Auch wenn eine Kutsche ein offiziell im Verkehr zugelassenes Fahrzeug ist, muss man natürlich aufpassen, insbesondere weil die Motoren …

Du meinst die Pferde?

Ja, auch wenn die Pferde ihren eigenen Kopf haben. Wenn Umberto z.B. einen Lastwagen sieht, der uns entgegen kommt, kann es sein, dass er zu traben anfängt oder auf den Asphalt stampft. Außerdem sind manche Autofahrer nicht so rücksichtsvoll, wie man es sich wünschen würde, und hupen oder überholen die Kutsche in einem schlechten Moment, was die Pferde scheuen lassen kann. Deswegen muss man immer aufmerksam und vorsichtig sein. Man muss sich, ebenso wie Autos, natürlich an alle Verkehrszeichen halten und Rücksicht nehmen. Allerdings darf man ein Gespann niemals im Straßenverkehr abstellen bzw. parken, um mal eben Brötchen holen zu gehen.

(die Fragen stellten Schüler*innen der Klasse 6f)